Volksverhetzung: Schweinekopf vor Prager Haus

Vor dem Prager Haus wurde in der Zeit zwischen 14.00 Uhr am Freitag und 11.40 Uhr am Samstag ein Schweinekopf abgelegt. Die Polizei ermittelt u.a. wegen des Verdachts auf Volksverhetzung (Meldungen aus der Thüringer Zeitung hier und unten dokumentiert). Dies ist bereits der dritte Vorfall dieser Art.

Der Vorstand unseres Vereins Prager-Haus Apolda e.V. hat nun folgende Antwort veröffentlicht:

Antwort an den/die Schweinekopf-Leger 2025

Nun ist es wieder passiert: Dummköpfe oder Böswillige haben uns ein Zeichen der Schmähung, der Verachtung vor die Haustür gelegt. Wen wollen sie damit beleidigen? Uns, die wir als ehrenamtliche Vereinsmitglieder unser Haus oft oder manchmal nur gelegentlich besuchen? Wollen sie die schmähen, die als neugierige Stadtbesucher oder als Geschichtsinteressierte das Prager-Haus kennenlernen wollen?

Unter uns sind meines Wissens keine Juden, die sie damit vielleicht treffen wollten. Unter uns sind einfach an Ortsgeschichte interessierte Frauen und Männer und sogar ein paar Jugendliche, auch ein paar Christen, aber auch etliche ohne erkennbare Religionszugehörigkeit. Uns alle eint eigentlich vor allem das Erinnern: Nicht die Ehrung oder Bestaunung eines Gebäudes – denn dieses Haus von 1925 ist ein mit geringen Mitteln errichteter Zweckbau einer Familie, die nicht viel Geld auf dem Konto hatte. Die Armutei hört man beim Knarren eines jeden Tritts auf der billigen Stufe aus Fichtenholz, wenn man in das obere Stockwerk nach oben steigt.

Nein, uns eint die Erinnerung an Menschen, die in diesem Haus durch handwerkliche Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienten. Und uns eint das Erinnern an alle anderen Menschen dieser Stadt – ob Juden, ob Christen, ob Kommunisten, ob Gewerkschafter, ob Sozialdemokraten, ob Parteilose, ob Glaubenslose, die einmal in schrecklichen zwölf Jahren gedemütigt, verspottet, ausgegrenzt, aus dem Land geekelt und eingesperrt oder schließlich sogar in den Tod getrieben wurden. An diese Apoldaer, einige Hundert an der Zahl, erinnern wir im Prager-Haus. Ist das so schmählich, wenn wir das tun? Wenn wir daran erinnern, dass der kriegsbeschädigte junge Fellhändler in der schlimmen Zeit nach dem Ersten Weltbrand den Müttern in seiner Gasse die Milch für ihre Kinder bezahlte? Ist das so schmählich, wenn wir an die tapfere katholische Familie im Schötener Grund erinnern, die eine vom Tod bedrohte jüdische Frau für ein halbes Jahr in einem Stricker-Wollenschrank versteckte und die Cella damit rettete? Noch viele anderen einzelne Schicksale ließen sich hier aufzählen. An alle diese erinnern wir, für die in der Bahnhofstraße 1951 ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus errichtet wurde.

Auch die 80 Stolpersteine, die uns Gunter Demnig vor den Apoldaer Haustüren gelegt hat, drücken dieses Erinnern aus. Und alle, die an so einem Stein vorüber gehen und sich herab beugen, um den Namen und die Zahl des Mordjahres lesen zu können, gehören zu denen, die sich erinnern wollen. Wollen wir VIELEN Erinnerer uns durch einen Schweinekopf aufhalten oder beirren lassen? Wir sagen NEIN und hoffen, dass dieses NEIN noch von vielen Bewohnern der Stadt geteilt wird.

Prager-Haus Apolda e.V.
Der Vorstand
6. Januar 2025